Antworten zum Thema Fluglärm von Fr. Dr. Glawschnig (Grüne)
Sent: Wednesday, September 17, 2008 12:42
PM
Subject: Re: Kommende Nationalratswahl;
Fluglärm Betroffene im Re gionalwahlkreis 9E, Wien Süd-West;
Entscheidungshilfe
vielen Dank für Ihr
Mail und Ihre Fragen, auf die ich im Anschluss an einige generelle Ausführungen
zum Thema "Flugverkehr - Fluglärmbelastung - Grüne Aktivitäten" gerne im
einzelnen eingehen möchte.
Wie Sie wissen, unterstützen die Grünen seit
Jahren auf allen Ebenen den Widerstand gegen den (laufenden und weiteren) Ausbau
des Flughafens und treten für klare Leitplanken für den Flugverkehr und den
Schutz der Fluglärmbetroffenen vor unzumutbaren Belastungen ein. Die Grünen
haben u.a. klar die ernsthafte rechtliche Sanierung der rechtswidrigen Ausbauten
der letzten Jahre eingefordert - im Zuge der erfolgreichen Beschwerde der BIs
bei der EU-Kommission konnten wir mit gezielten Anfragen (in Wien und im
Europaparlament) sowie Materialbeschaffung etc behilflich sein, nun geht es um
eine echte UVP für die bereits getätigten Baumaßnahmen und darum, die
rechtswidrig zustande gekommenen luftfahrtrechtlichen Bescheide aus der Welt zu
schaffen. Gerade derzeit läuft dazu wieder eine Parlamentarische Anfrage an BM
Faymann.
Der laufende und geplante weitere Ausbau kurbelt das ohnedies
künstlich durch Dumpingpreise und fehlende Kosten- und Steuergerechtigkeit
angeheizte Wachstum des umwelt- und klimabelastenden Flugverkehrs im Großraum
Wien weiter an. Der stadtnah gelegene Wiener Flughafen ist aber für ein Wachstum
ohne Grenzen nicht geeignet, das ist angesichts von hunderttausenden Menschen in
Wien und in der Region, die von gesundheitsgefährdendem Fluglärm betroffen sind,
ganz eindeutig belegt. Gerade das Beispiel von Liesing zeigt zudem, dass ein
Herumschieben von An- und Abflugrouten nichts bringt, weil der Spielraum dafür
sehr gering ist und Entlastung am einen Ende nahezu immer eine neue Belastung
gegenübersteht. Von Stadt Wien, Land Niederösterreich und Bund verlangen die
Grünen, Aktionärsinteressen und Profitdenken nicht über Gesundheit und
Lebensqualität der Menschen zu stellen. Selbstverständlich treten die Grünen
nachdrücklich gegen die 3. Piste in Schwechat ein und unterstützen im
UVP-Verfahren den Widerstand.
Gerade auch mir persönlich ist diese
Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern, die unerschrocken mächtigen Lobbies
trotzen, ein besonderes Anliegen, hat mein Weg in die Politik doch auch im
Widerstand gegen natur- und menschenbelastende Großprojekte begonnen.
Der
Grüne Einsatz gegen Fluglärm ist in einen generellen Schwerpunkt für eine
bessere Lärmschutzpolitik und ein besseres Lärmschutzrecht eingebettet. Wie
Ihnen sicher bekannt ist, haben die Grünen im Frühsommer 2006 die gesetzliche
Festschreibung von gesundheitsunverträglichen Lärmgrenzwerten für
Flughafen(Pisten)-genehmigungen verhindert. Im Gesetz wurde der Verkehrsminister
dann ermächtigt, die Grenzwerte zu bestimmen. Diese Schwellenwert-VO wurde bis
jetzt nicht erlassen, dazu haben auch wir durch entsprechende Aktivitäten in
Richtung der zuständigen Staatssekretärin ein wenig beigetragen. Wir verlangen
zunächst die Anwendung der im UVP-Gesetz enthaltenen allgemeinen Grenzwerte und
weiters auch generell, dass die Verkehrsanlagen begünstigenden Sonderregeln im
UVP-Gesetz aufgegeben werden und ein einheitliches Recht mit einheitlichen
bürgerfreundlichen Grenzen, Schwellen und Regeln für alle Anlagen incl. der
Verkehrsanlagen - also unter anderem der Flughäfen) verankert wird.
Weiters
verlangen die Grünen die Erlassung eines Immissionsschutzgesetzes-Lärm (Bund-
und Ländermaterien, d.h. Zweidrittelmehrheit nötig), das
+ eine möglichst
flächendeckende Erhebung der Gesamtlärmbelastung auslöst,
+ einen
einheitlichen Lärm-Immissionsgrenzwert zum Schutz der Gesundheit festlegt, der
bei Zulassung von Anlagen (inkl. Verkehrsanlagen) zu beachten ist und auch zu
Reduktionsmaßnahmen bei bestehenden EmittentInnen führen muss (mit Frist). Den
Verkehrsanlagen ist auch bei der Sanierung besonderes Augenmerk zu schenken.
+ betroffene BürgerInnen ein Recht auf Beantragung von
Lärm-Reduktionsmaßnahmen samt einem Recht auf Entscheidung gibt, damit bei
abschlägigen Entscheidungen das Recht auf Lärm- und Gesundheitsschutz bei den
Höchstgerichten durchgesetzt werden kann.
Schließlich halten wir Grüne das
derzeitige Umgebungslärmgesetz für völlig ungenügend. Zusätzlich sind die
Verantwortlichen und insbesondere das BMVIT tw. bereits Jahre hinter den
EU-rechtlich vorgegebenen Fristen für die Umsetzung der Mess-,
Veröffentlichungs- und Aktionsplan-Vorlage-Verpflichtungen, was die mangelnde
Ernsthaftigkeit von SPÖ und ÖVP beim Thema Lärmschutz generell unterstreicht.
Hier muss dringend das längst überfällige Pflichtprogramm umgesetzt werden, die
als nächster Schritt verpflichtenden Aktionspläne müssen umgehend ausgearbeitet
und veröffentlicht sowie einer ernsthaften Bürgerbeteiligung unterzogen werden,
damit es auch zu konkreten Lärmminderungsmaßnahmen kommt.
Damit zu Ihren
konkreten Fragen:
Zu Frage 1:
Ja, wir sind für die Rücknahme der seit
2004 über Liesing gelegten Flugrouten.
Zu Frage 2:
Unabhängig davon,
dass wir die Wiederherstellung des früheren Zustandes für angebracht halten
(siehe Antwort zu Frage 1), treten wir - siehe oben - dafür ein, dass betroffene
BürgerInnen im Rahmen eines generellen Immissionsschutzgesetzes-Lärm ein Recht
auf Beantragung von Lärm-Reduktionsmaßnahmen samt einem Recht auf Entscheidung
gibt, damit bei abschlägigen Entscheidungen das Recht auf Lärm- und
Gesundheitsschutz bei den Höchstgerichten durchgesetzt werden kann. Damit ließe
sich eine der Schweiz vergleichbare Rechtslage erzielen.
Zu Frage 3:
Wir unterstützen diese Forderungen, halten die von Austro Control und BMVIT
gegen diese geänderten Verfahren vorgebrachten Bedenken für konstruiert und
wollen uns in der kommenden Gesetzgebungsperiode für entsprechende
verpflichtende luftfahrtbehördliche Vorgaben einsetzen.
Zu Frage 4:
Nicht erst angesichts der derzeitigen (ja schon jahrelang absehbaren)
wirtschaftlichen Schwierigkeiten der AUA und vieler weiterer mittelgroßer
Fluglinien haben die Grünen wiederholt auf die höchst wackligen Beine der auf
die AUA-Gruppe ausgerichteten "Hub-Strategie" in Schwechat hingewiesen. Der
Flughafen sollte nach unserem Dafürhalten eine Geschäftspolitik verfolgen, die
ihn nicht den Unwägbarkeiten der AUA-Zukunft ausliefert, sondern nachhaltig im
für den Großraum Wien u.a. aus touristischen Gründen nötigen Dimensionierung
sichert, aber nicht über Dumpingtarife und -gebühren als Umsteigknoten
positioniert. Erst durch diese "Fixierung" auf die ansonsten wenig sinnvolle
(und sowieso hochgradig umweltbelastende) Umsteig-Funktion entstehen ja die
extremen Spitzenbelastungen bei den Flugbewegungen, die dann als Rechtfertigung
für Ausbauprojekte strapaziert werden. Wir treten für eine Änderung der
Geschäftspolitik ein und fordern diese auch laufend bei den öffentlichen
Teileigentümern ein.
Zu Frage 5:
Wie einleitend erwähnt, treten die
Grünen mit Nachdruck gegen die 3.Piste ein. Aktuell berät und finanziert der
Grün-Alternative Bürgerinitiativen-Verein (BIV) zwei Bürgerinitiativen und einen
Nachbarn im UVP-Verfahren mit einer Summe im fünfstelligen Euro-Bereich, ebenso
engagieren sich die Wiener und die NÖ Grünen hier finanziell und politisch.
Leider ist es bisher nicht gelungen, bei den von Ihnen erwähnten öffentlichen
Miteigentümern ein Umdenken zu erreichen, die Grünen haben hier im NÖ Landtag
und im Wiener Gemeinderat und Landtag bereits alle Register gezogen, eine
politische Mehrheit wird es hier wenn überhauptr frühestens nach den nächsten
Wiener Wahlen geben. Geplant ist jedenfalls seitens der Grünen, alle
Rechtsmittel gegen die Genehmigung der 3. Piste auszuschöpfen und die nötigen
Verfahren zu unterstützen. Der BIV wird aus Beiträgen der grünen
Nationalratsabgeordneten, BundesrätInnen und österreichischen EP-Mitglieder
dotiert.
Zu Frage 6:
Die Grünen treten für ein derartiges
Nachtflugverbot ein. Dieses sollte von 22 bis 7 Uhr gelten, mit den üblichen
Ausnahmen für Notfälle, Rettungsflüge und dergleichen.
Zu Frage 7:
Wie
angeführt, treten wir für eine gesetzliche Regelung im von Ihnen skizzierten
Sinn ein und werden diese Forderung selbstverständlich auch konkret in
eventuelle Verhandlungen nach der Wahl und in jedem Fall im Parlament als Antrag
einbringen. Unser Ziel ist es, die WHO-Werte verbindlich zu verankern und die
derzeitigen ungerechtfertigten rechtlichen "Extrawürste" für Verkehrsanlagen wie
zB Flughäfen abzustellen.
Zu Frage 8:
Ja, wir treten für
Kostenwahrheit im Verkehr ein und sind daher selbstverständlich für die
Beendigung der Steuerprivilegien des Flugverkehrs. Die An- und Überfluggebühren
können in Österreich nicht niedriger als in vielen anderen Ländern Europas
bleiben, umso weniger angesichts des bestehenden hohen Belastungsniveaus.
Zusätzlich zu den von Ihnen angeführten Punkten schlagen wir im Rahmen einer
insgesamt aufkommensneutralen Ökosozialen Steuerreform, die fossile Energie
gerecht besteuert und Arbeit - also Haushalte und Wirtschaft - entlastet, auch
eine Flugticketabgabe vor, deren Einnahmen dem Klimaschutz und der
Entwicklungszusammenarbeit zugute kommen sollten.
Ich möchte mich bei
Ihnen und Ihren MitstreiterInnen für die bisherige gute Zusammenarbeit bedanken
und hoffe, dass wir diese auch in Zukunft fortsetzen werden.
Mit
freundlichen Grüßen
Eva Glawischnig