Anonymisierter Mailverkehr über ein Gesprächsprotokoll mit dem Flughafen

Im folgenden findet sich der anonymisierte Mailverkehr mit Flughafen und Austro Control zu einem 4 stündigen Gespräch am Flughafen, bei dem es vor allem um die Erklärungen der Austro Control zur Flugroute Liesing ging, aber - nicht zuletzt weil der Vertreter der Austro Control den Termin nur teilweise wahrnehmen konnte - auch um andere Fragen:

From: BI Liesing gegen Fluglärm
Sent: Dienstag, 01. Juni 2010 21:11
To: Flughafen und Austro Control Mitarbeiter die am Gespräch beteiligt waren
Cc: weitere Teilnehmer der BI
Subject: Gesprächsnotizen vom 19.5.2010, Fragen zum Pistenbelegungsplan und der Lärmmessung/Lärmberechung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Unten stehend finden Sie unsere Gesprächsnotizen, zu der am 19.5.2010 am Flughafen Wien in konstruktiver Atmosphäre stattgefundenen Besprechung.

  1. Die starken Schwankungen in den LEQ-Werten der Messstelle Siebenhirten werden vom Flughafen damit erklärt, dass bei höheren LEQ-Werten besonders viele laute Überflüge stattgefunden hätten, während die nicht erfassten, Flugzeuge leiser wären und daher ohnehin keinen signifikanten Einfluss auf den LEQ hätten. Daher würde auch keine Hochrechnung unter Berücksichtigung der nicht erfassten Flugbewegungen durchgeführt. (Anmerkung: der energetisch gemittelte Maximalpegel in Siebenhirten ist in Q1 und Q2/2009 laut Flughafenauswertung ident, trotzdem unterscheiden sich die LEQ-Werte entsprechend der stark unterschiedlichen Erfassungsquote - Frage: ist hier nicht doch die Erfassungsquote für die Schwankung und Höhe der LEQ-Werte ausschlaggebend?). Der im Sommer 2009 deutlich höhere 16h LEQ-Wert von 42,5 dBA bei Windstille am Maurer Berg wurde vom Experten des Flughafens damit erklärt, dass in dieser Zeit besonders viele Flugzeuge geflogen sind.
  2. Da die Rohdaten der Lärmmessung vom Flughafen auf Grund des Datenvolumens nicht über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden, wurde vereinbart, dass sämtliche Rohdaten der nächsten mobilen Messung in der Zemlinskygasse gesondert aufbewahrt werden, um an diesem Beispiel die Wertung der Einzelereignisse für den LEQ-Wert zu diskutieren. Eine entsprechende Besprechung ist nach Auswertung der mobilen Lärmmessung in der Zemlinskygasse (21.07.2010-11.08.2010) geplant.
  3. Weiters wurde die Verlegung der teilmobilen Lärmmessstelle Siebenhirten an einen besseren Standort andiskutiert.
  4. Seitens des Flughafens wurde festgestellt, dass sich die äußere Grenze einer 40 dBA Dauerschallpegel Zone für den Tag (40 dBA LEQ-Isophone) nur noch mit  sehr großer Unsicherheit berechnen ließe und eine Berechnung daher nicht sinnvoll sei. - Frage: müsste die Berechnung der 40-45 dBA Zone und der Anzahl der Betroffenen in dieser Zone, die laut Evaluierungsbericht für die Nacht durchgeführt wird, nicht auch genauso für den Tag durchführbar sein?
  5. Für die Bewertung der Betroffenheit und Optimierung der Flugrouten wurde in der Vergangenheit ein Cut-Off von 50 dBA verwendet (Rossinak Modell). Die BI "Liesing gegen Fluglärm" hat dem gegenüber die Formel: (24h Dauerschallpegel Fluglärm – 35,25) * Anzahl Betroffene für eine Optimierung der Flugrouten vorgeschlagen, die sich aus den Studien von Prof. Greiser ergibt.
  6. Der Flughafen hat die Zusendung einer Auswertung (getrennt nach Monat und Stunde) betreffend alle Starts und Landungen in Q1/2010 über Liesinger Gebiet zugesagt. Weiters wurde der BI "Liesing gegen Fluglärm" auch die Zusendung der geplanten Auswertung der Destinationen, die derzeit auf den Flugrouten über Liesing geleitet werden, zugesichert.
  7. Laut Experten der ACG könne es im Sinne einer "Kapazitätsmaximierung" nicht genug Startrouten für eine Startpiste geben. Entscheidend für die Kapazität einer Startpiste sei aber nicht nur die Anzahl sondern vor allem auch der Winkel des Bereichs in dem Startrouten nach dem ersten Waypoint angeordnet werden können. Damit bestimmt sich auch der Zeitpunkt, wann ein bestimmter Lateralabstand zwischen den Flugzeugen erreicht werden kann. Ein Entfall der Flugroute über Liesing würde "geschätzte 15%" Kapazität kosten. Die Kapazitätserweiterung für die Piste 29 im Jahr 2004 wäre wahrscheinlich auch über eine zusätzliche Flugroute im Süden statt über eine zusätzliche Flugroute im Norden möglich gewesen. Dieser Fall wurde aber (noch) nicht durchgeplant, so dass hier keine definitive Aussage getroffen werden konnte.
  8. Dass die Flugrouten mit den Übergabepunkten MIKOV und LEDVA offiziell jetzt mit einer Linkskurve auf der Piste 29 zugeordnet wurden, wird seitens der ACG damit erklärt, dass Piloten die bisherigen Flugroute mit Rechtskurve von der Piste 29 zu diesen Übergabepunkten in Zukunft aus Sicherheitsgründen nur nach ausdrücklicher Zuweisung durch die ACG auswählen können sollten. Auf die Anzahl der Starts Richtung MIKOV und LEDVA die mit Rechtskurve oder Linkskurve ausgeführt werden, sollte diese Veränderung keinen Einfluss haben.
  9. Die zuständige Behörde hat für Jets die angedachte Rechtskurve von der Piste 29 abgelehnt. Laut Vertreter der ACG wäre jedoch diese sinnvolle Variante doch noch in Diskussion und auch für die Aviation Group von Interesse. Diese kann allerdings nur dann verwendet werden, wenn nicht gleichzeitig Landungen auf der Piste 16 oder Landungen auf der Piste 34 bei schlechtem Wetter erfolgen. 
  10. Der BI "Liesing gegen Fluglärm" wurden Kopien des aktuellen Pistenbelegungssplan zur Verfügung gestellt. Sind dort mehre Flugrouten angegeben, so werden die Flugrouten, die in Klammer angegeben sind, von der jeweils als zweites angegebenen Piste geflogen. Beispiel: Überwiegend Starts bei West/Nordwestwind: 29/34 (ABL, LED, MIK, KOV, LAN) bedeutet, dass in diesem Falls Starts zu den Übergabepunkten ABLOM, KOVEL, LANUX, LEDVA und MIKOV auf der Piste 34 erfolgen, während die Starts zu den anderen Destination über die Piste 29 erfolgen.
  11. Zum Pistenbelegungsplan gibt es noch die Frage, wie sich die Zeit zwischen 7:00 und 21:00 auf die verschiedenen Phasen  (überwiegend ARR bzw. DEP und Off Peak Traffic) aufteilt und welche Windstärke in etwa die obere Grenze für die Windstilleregelung definiert.
  12. Es gibt erste Vorschläge, die Flugroute SNU durch fixe Flugrouten nach Südost bzw. Südwest zu ersetzen und somit dicht besiedelte Gebiete im Süden Wiens in der Zeit zwischen 21:00 und 7:00 fluglärmfrei zu halten. 
  13. Der gekurvte Anflug auf Piste 11 unter höheren Sichtbedingungen wurde dahingehend besprochen, dass durch den Experten der ACG klar gestellt wurde, dass diese Anflugsart, die in USA am JFK Airport seit mehr als 20 Jahren angewendet wird und dort zum größte Teil von Jumbos geleistet wird, nicht unsafe ist, die ACG jedoch in VIE diesen Anflug nicht installieren will, da das Einkurven unter Sichtbedingungen nicht ganz so optimal wäre.
  14. Werden auf einer Piste Starts und Landungen alternierend durchgeführt so beschränkt sich die Kapazität dieser einen Piste laut Experten des Flughafens auf in etwa auf  42 Flugbewegungen pro Stunde, während eine Piste auf der entweder nur Starts oder nur Landungen durchgeführt werden, eine deutlich höhere Kapazität aufweist.
  15. Seitens der BI "Liesing gegen Fluglärm" wurde mit dem Hinweis auf die Anzahl der Betroffenen einmal mehr die Einstellung der Flugroute über Liesing gefordert.
  16. Bei der Diskussion über die dritte Piste wurde erklärt, dass es auch für den Flughafen aufgrund der Situation der Fluglinien und des damit verbundenen Risikos "wirtschaftliche Zweifel" an deren Sinnhaftigkeit gibt. Gleichzeit wurde der "öffentliche bzw. politische Auftrag" als Infrastrukturanbieter ins Spiel gebracht. Es wurde auch die Frage andiskutiert, welche Pistenvariante die umweltschonendere ist.

Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Prüfung und Beantwortung der offenen Fragen (Pistenbelegungsplan, Lärmmessung und -berechnung) sowie der Zusendung der zugesagten Auswertungen,

BI „Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3 Piste“,


From: BI Liesing gegen Fluglärm
Sent: Donnerstag, 17. Juni 2010 07:38
To: Flughafen und Austro Control Mitarbeiter die am Gespräch beteiligt waren
Cc: weitere Teilnehmer der BI
Subject: Gesprächsnotizen vom 19.5.2010, Fragen zum Pistenbelegungsplan und der Lärmmessung/Lärmberechung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wann dürfen wir mit Ihrer Antwort rechnen?

BI „Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3 Piste“

From: BI Liesing gegen Fluglärm
Gesendet: Dienstag, 22. Juni 2010 10:04
To: Flughafen und Austro Control Mitarbeiter die am Gespräch beteiligt waren
Cc: weitere Teilnehmer der BI
Betreff: FW: Gesprächsnotizen vom 19.5.2010, Fragen zum Pistenbelegungsplan und der Lärmmessung/Lärmberechung
Vertraulichkeit: Persönlich

 Sehr geehrte Herren,

Nachdem wir bis heute keine Antwort auf unten stehende E-Mails erhalten haben, gehen wir davon aus, dass unsere Gesprächsnotizen korrekt sind.
Über die Beantwortung der noch offenen Fragen per E-Mail würden wir uns freuen.

Mit freundlichen Grüßen,


BI „Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3 Piste“ 


From: Flughafenmitarbeiter der Abteilung Umweltcontrolling
Sent: Dienstag, 22. Juni 2010 14:39
To: BI Liesing gegen Fluglärm
Cc: Flughafen und Austro Control
Subject: WG: Gesprächsnotizen vom 19.5.2010, Fragen zum Pistenbelegungsplan und der Lärmmessung/Lärmberechung
Sensitivity: Personal
 

Ich bedaure ihnen mitteilen zu müssen, dass aus unserer Sicht die Gesprächsnotizen in vielen Bereichen nicht die Fakten und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen, wie in der Sitzung am 19.5.2010 dargestellt, wiedergeben.

Auf Basis der uns übermittelten Gesprächsnotizen ist offensichtlich, dass es uns nicht gelungen ist, die jeweiligen Themen so darzustellen, dass sie von Ihnen  richtig verstanden wurden.

Es ist aus unserer Sicht leider auch nicht möglich, die Gesprächsnotiz entsprechend richtigzustellen, da oft nicht eindeutig nachvollzogen werden kann, was aus ihrer Sicht gemeint ist. Ähnlich verhält es sich mit den in die Gesprächsnotiz eingearbeiteten Fragen – es ist für uns nicht möglich, eindeutig nachzuvollziehen, welche Informationen hier in Ergänzung zum Gespräch vom 19.5.2010 nachgereicht werden sollen.

 Um ihnen exakt die gewünschten Informationen zu geben und die Missverständnisse aufzuklären, halten wir daher ein weiteres persönliches Gespräch für erforderlich.

Wir ersuche sie um Information, ob sie damit einverstanden sind und würden sodann ein Gespräch unter Beteiligung der Experten wie bei der Unterredung im Mai organisieren. 

Mit freundlichen Grüßen

 Flughafen Wien AG

1300 Wien-Flughafen



From:BI Liesing gegen Fluglärm
Sent: Mittwoch, 23. Juni 2010 07:39
To:Flughafenmitarbeiter
Cc: andere Gesprächsteilnehmer
Subject: RE: Gesprächsnotizen vom 19.5.2010, Fragen zum Pistenbelegungsplan und der Lärmmessung/Lärmberechung
Sensitivity: Personal

Gerne stellen wir die Fragen zur Lärmmessung auch nochmals im Rahmen der bereits vereinbarten Besprechung zur Lärmmessung am Maurer Berg
 
Sollten Sie inzwischen darüber hinausgehende sachliche Anmerkungen zu unseren Gesprächsnotizen haben, darf ich auf die bei der Diskussion angesprochene Möglichkeit hinweisen, Missverständnisse auf kurzem Wege per E-Mail zu korrigieren. Andernfalls erlauben wir uns, unsere naturgemäß nicht vollständigen, aber nach bestem Wissen und Gewissen erstellten Gesprächsnotizen auch ohne weitere Anmerkungen Ihrerseits zu verwenden bzw. ggf. zu veröffentlichen.
 
Was die bereits bei der Besprechung am 19.5. zugesagten Auswertungen (Überflüge über Liesing im Q1/2010 und Destinationszuordnung) betrifft, gehen wir davon aus, dass Sie hier ohnehin über eigene Aufzeichnungen ausreichender Qualität verfügen, stehen für Rückfragen aber auch gerne zur Verfügung.
 
Mit freundlichen Grüßen,

BI „Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3 Piste“,


In der Folge wurde der BI "Liesing gegen Fluglärm" keine einzige der zugesagten Auswertungen geschickt, weitere Gespräche am Flughafen fanden auf Grund der Priorisierung sinnvollerer Aktivitäten auch keine statt.