Die Welt vom 23.2.2005, Nr. 45 (Jg.60) Seite 13
Flughäfen befürchten Kostenlawine Das geplante Fluglärmgesetz verlangt weitreichende Schallschutzmaßnahmen
Das geplante Fluglärmgesetz verlangt weitreichende Schallschutzmaßnahmen
Von Heiner Siegmund Hamburg - Die deutschen Verkehrsflughäfen müssen in den kommenden fünf Jahren mit Zusatzkosten zwischen 614 und 738 Mio. Euro für Lärmschutzmaßnahmen rechnen. Dies geht aus Analysen einer aus Vertretern des Bundesumweltministeriums, des Umweltbundesamtes und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen eingesetzten Arbeitsgruppe zu den Folgekosten des vom Umweltministerium geplanten Fluglärmgesetzes hervor.
Nach der jetzt vorgelegten 64seitigen Expertise kommen vor allem auf den Flughafen Frankfurt erhebliche Ausgaben zu. Dort gehen die Schätzungen von Zusatzzahlungen für Schallschutzmaßnahmen wie den Einbau von doppelt verglasten Fenstern, Dachneubauten oder Gebäude-Isolierungen in Höhe von 334 Mio. Euro aus, trotz des angekündigten Nachtflugverbots.
Hauptgrund für die hohen Kosten ist die für 2009 geplante Landebahn Nordwest, in deren Folge laut Arbeitsgruppe die Schlafräume von mehr als 20 000 Wohneinheiten von Fluglärm betroffen sind. Dies gilt speziell für die an Rhein/Main angrenzenden Gemeinden Flörsheim und Raunheim, die in der Anflugschneise liegen und von Düsenjets künftig in 350 Meter Höhe überflogen werden. Aus diesem Grund hat die Flughafengesellschaft Fraport AG bereits ein "Casa" genanntes Programm aufgelegt, das auf freiwilliger Basis beruht und Anwohnern Ausgleichszahlungen für den zu erwartenden Lärm oder ersatzweise den Ankauf ihrer Immobilien durch den Flughafen anbietet.
Vergleichsweise gering sind mit 34 Mio. Euro dagegen die Kosten für den Flughafen München. Trotz des wegen der rapide steigenden Passagierzahlen für die nächsten Jahre erwarteten Baus einer dritten Start- und Landebahn sind die Summen "aufgrund des schon existierenden überdurchschnittlich anspruchsvollen Schutzniveaus im Verhältnis zur Bedeutung und Größe des Flughafens geringer als an anderen Standorten", heißt es in der Dokumentation.
Deutlich höher liegen sie dagegen mit 40 Mio. Euro in Hamburg und Summen zwischen 60 und 169 Mio. Euro in Köln/Bonn. Die im Falle des rheinischen Flughafens stark voneinander abweichenden Beträge erklären sich aus unterschiedlichen Entwicklungsperspektiven. Besonders hoch wären die Lärmschutzausgaben nur dann, sollte der Flughafen Überlegungen verwirklichen und die kürzere der beiden Start- und Landebahnen verlängern. Für den Fall unterstellt die Arbeitsgruppe ein Mehr an Dauerlärm von mindestens drei Dezibel, was umfangreiche Nachrüstungen in betroffenen Wohngebieten zur Folge hätte.
Eingesetzt worden war die Arbeitsgruppe "Kostenfolgen" aufgrund eines vom Umweltministerium vorgelegten Referentenentwurfs zur Novellierung des seit 1971 bestehenden Fluglärmgesetzes. Darin spricht sich die Behörde für eine drastische Reduzierung der Grenzwerte für Fluglärm in den unmittelbar an die Flughäfen angrenzenden "Schutzzonen I" aus. Im Falle von "wesentlichen Ausbauten", wie etwa der Bahnverlängerung in Köln/Bonn, sieht der Entwurf eine weitere Herabstufung der Werte vor. Wegen der finanziellen und infrastrukturellen Folgen hatten das Bundesverkehrs- und das Bundesfinanzministerium Vorbehalte gegen die Novelle geäußert. Die Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsflughäfen befürchtet gar, daß Mehrkosten von einer Mrd. Euro auf die Flughäfen zukommen könnten.