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Was
zum Untergang der österreichischen Fluglinie geführt hat
– Übrig bleiben Hoffnungen ohne Garantie
Bruchlandung
einer Schönwetterlinie
Ein
geliebtes Stück der österreichischen Identität
wird zur Filiale einer deutschen Firma. Foto: apa
Die AUA symbolisierte Großmannssucht. Privatisierung zu spät. Der Flughafen verliert seine Melkkuh. Was auch immer die neue Regierung sonst tun wird: In ihre Amtszeit fällt jedenfalls gleich zu Beginn das Ende der eigenständigen Luftfahrt in Österreich. Und was immer ihr sonst vorzuhalten sein wird: Jene Fehler, die zur Degradierung der Austrian Airlines zur Filiale einer ausländischen Konkurrenz geführt haben, sind lange vor ihrem Antritt passiert, sind vielleicht sogar unvermeidlich. Dabei hatte 2008 für die AUA so schön begonnen: Sie lud tausende Gäste aus aller Welt in einen Hangar nach Schwechat, der in das Innere eines riesigen Jets verwandelt war. Doch Start, Flug und Landung dieses Jets waren – symbolträchtig – nur noch eine Illusion, die durch Videoprojektionen hinter den simulierten Flugzeugfenstern geschaffen wurde. Aber dennoch schien ungetrübte Freude am schönen Schein und am üppigen Buffet zu herrschen. Die Konstruktionsfehler der AUA wurden nicht diskutiert. Heute hingegen geben Verantwortliche plötzlich in vertraulichen Gesprächen offen zu: "Die AUA war immer nur eine Schönwetterlinie." Die Gesellschaft war und ist doppelt zu groß für das, was Österreich auf Grund seiner Größe vertragen würde. Ihre Dimension war im Grund nichts anderes als Ergebnis nationaler – ein Experte sagt sogar: "nationalistischer" – Großmannssucht. Auch Grasser war unwillig Man kann den gleichen Sachverhalt natürlich auch positiver formulieren: Die rot-weiß-rote Schwanzflosse, der Strauß-Walzer beim Einstieg, das alles hatte einen so hohen emotionalen Stellenwert für die nationale Identität der Österreicher, dass kein Politiker die seit Jahren von der ÖIAG empfohlene Lösungsformel "Privatisierung" in den Mund zu nehmen wagte. Auch in der sonst reformfreudigen Ära Karl-Heinz Grasser wurde Privatisierung für alle anderen Staatsindustrien, nur nicht die AUA angesteuert. Niemand glaubte, das den Wählern zumuten zu können. Daher gab es erst vor vier Monaten den ersten Privatisierungsauftrag. Als der Gesellschaft das Wasser schon im Cockpit stand. Freilich: Noch Ende 2007 waren etwa die Prognosen der internationalen Luftfahrt assoziation IATA für das Luftgeschäft weltweit optimistisch. Seither verschlechterten sich aber die Prognosen im Überschalltempo. Fast alle kleinen nationalen Fluggesellschaften kamen ins Trudeln. Zuerst war es die Himmelfahrt der Treibstoffkosten, und nun der ebenso steile Sturzflug der Passagierzahlen infolge der Finanzkrise. Die Überdimensionierung der AUA – oder die Unterdimensionierung Österreichs – ist aber nicht die einzige Ursache der Notlandung. Während der in vielen Medien erhobene Vorwurf an die AUA-Führung, am Beginn des Jahres zu optimistisch aufgetreten zu sein, eher skurril ist (ein Management muss ja immer Optimismus ausstrahlen), ist ein anderer Vorwurf viel valider. Nämlich dass die Führung nie energisch genug den Kampf gegen die wirklichen strukturellen Probleme geführt hat: gegen die überhöhten Bezüge des fliegenden Personals (noch in diesem Herbst hat es eine saftige Lohnerhöhung gegeben, während etwa die bisher immer als feige geltende ORF-Führung eine Nulllohnrunde verlangt!); gegen die durch Übernahme der maroden Lauda Air zum Problem der AUA gewordene (weitgehend unrentable) Langstrecke; und vor allem gegen den Flughafen Schwechat, der nach Lufthansa- wie AUA-internen Berechnungen der weitaus teuerste Flughafen Europas ist. Der Flughafen wird daher zu den ersten Kollateralopfern beim Verkauf der Fluglinie gehören. Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber hat den erstaunten Schwechat-Managern und Eigentümern bereits mitgeteilt, dass vergleichbare Flughäfen um hundert Millionen Euro pro Jahr billiger sind. Damit legt sich die Lufthansa freilich mit Österreichs größten Machtzentren an: mit der Gemeinde Wien und dem Land Niederösterreich, den Haupteigentümern des Flughafens. Diese beiden Bundesländer erzielen in Schwechat fette Erträge und plündern darüber hinaus die prall gefüllten Kassen des Flughafens für zahlreiche Marketing-Aktivitäten im politischen Dunstkreis der beiden jeweiligen Landesfürsten. Aber auch der Flughafen selbst, so sehen es zumindest Kritiker, hat es nicht verstanden, aus dem nichtfliegerischen Zusatzgeschäft (Parkgebühren, Shops) gute Einnahmen zu erzielen. Dessen Anteil am Flughafengeschäft beträgt nur 25 Prozent, während er etwa in Frankfurt 50 ausmacht. Wien schröpft lieber die AUA. Die Lufthansa wird dem Flughafen nun heftig die Daumenschrauben ansetzen. Entweder die Tarife sinken oder die Landungen werden deutlich zurückgehen. Auch in Zürich musste der Flughafen nach dem Verkauf der Swiss an die Deutschen seine Tarife senken. Da Österreich die Privatisierung viel zu spät eingeleitet hat, ist nun die Lufthansa zu keiner einzigen Garantie für die Zukunft bereit, sondern nur zu – jederzeit revidierbaren – Businessplänen. Es gibt keine Garantie für die Zahl der Flüge, für die Zahl der Maschinen, für die Zahl des Personals, sondern jeweils nur unverbindliche Absichtserklärungen. Sozialpartner-Intervention Die AUA-Führung ist auch an der Belegschaft gescheitert. Vor allem die Piloten mit Spitzenverdiensten von rund 15.000 Euro pro Monat haben sich immer zum (Klassen?-)Kampf bereit erklärt. In ihren Belegschaftszeitungen werden jene Kollegen, welche die volle Zahl der vereinbarten Flugstunden fliegen, offen als Verräter denunziert. Und der Versuch des vorletzten AUA-Chefs Vagn Sörensen, zumindest bei Neuaufnahmen von Piloten eine Milderung zu erzielen, ist weitgehend gescheitert. Der Däne wollte ohnedies die Pilotengehälter unangetastet lassen, sondern nur für die Neuen die günstigeren Kollektivverträge von Lauda Air und (vor allem) Tyrolean nutzen. Sörensen ist an Streikdrohungen und der Intervention der Sozialpartner-Häuptlinge Verzetnitsch und Leitl zugunsten der Piloten gescheitert. Daher ist es kein Zufall, dass die Sozialpartner jetzt auffallend und beschämt zum Ende der AUA schweigen. Die Lufthansa hingegen nimmt immer wieder auch Streiks in Kauf. Was freilich ihre Mitarbeiter nicht von sehr kühnen Forderungen abhält. So verlangen derzeit die Flugbegleiter satte 15 Prozent. Air France als Alternative? Dabei hat die AUA durchaus auch Erfolge erzielt: So hat sie die nicht zuletzt auf die Lauda Air zurückgehenden Finanzschulden von 2,1 Milliarden Euro auf rund 900 Millionen senken können. Sie hat 2002 mit einem Gehaltsverzicht Fortschritte erzielen können. Sie überlebte sogar die Sars- und Irak-Krisen. Freilich: Niemand glaubt mehr, dass die AUA dauerhaft überleben könnte, hätte sie alle aufgelisteten Fehler vermieden. Es scheint einfach die Zeit vorbei, in der sich kleine Länder eigene Fluglinien leisten können (sowie eigene Währungen, riesige nationale Rundfunk- und Fernsehkonzerne, nationale Telekom-Souveränität, eigene Börsen, nennenswerten Spielraum bei Wirtschafts- und Sozialgesetzen und vieles mehr). Alleine heuer sind weltweit 20 Fluggesellschaften eingegangen. Hinter all dem ist die Frage, ob Lufthansa oder Air France neuer Herr in Österreichs Lüften wird, sekundär geworden. Die Franzosen haben offensichtlich im Zuge der Finanzkrise und ihres Engagements in Italien den Mut (und das Spielkapital) verloren, ziehen sich aber auch nicht ganz zurück. Experten halten es für möglich, dass sie aber der Lufthansa noch Troubles bereiten können – wenn ihnen die Deutschen nicht im Wettbewerb um eine der anderen Fluglinien den Vorrang lassen. Die Franzosen haben jedoch auch gute Argumente, die juristisch für lange Debatten sorgen können: Zum einen war bei der Ausschreibung keine Rede davon, dass die ÖIAG einen Teil der AUA-Schulden übernimmt. Zum zweiten klagt Air France, dass die Lufthansa die Star-Alliance-Verträge der AUA kennt (weil die Deutschen selbst der Allianz angehört), Air France aber nicht, was ein unziemlicher Wissensvorsprung ist. Und zum dritten sei von der Ausschreibungsbedingung, dass es auch in Zukunft einen österreichischen Kernaktionär geben müsse (die vor allem von heimischen Politikern hinausposaunt wurde), so gut wie nichts mehr übrig. Nämlich nur eine Stiftung, bei der wieder die Lufthansa das wichtigste Wort hat. Auf ÖIAG-Seite wird dem entgegnet, dass die Franzosen nach Abgabe eines Angebots die Allianz-Verträge zu sehen bekommen hätten. Und zur Schuldenübernahme von 500 Millionen: Das sei halt ein negativer Kaufpreis, den ja auch Air France bieten (=verlangen) hätte können. Tourismus ist Opfer Umgekehrt könnte Air France schon ökonomisch das deutsche Angebot kaum übertreffen: Denn sie müsste neben den Kosten der Lufthansa (900 Millionen Schulden, 475 Millionen zwischenfinanziertem Verlust sowie eine beträchtliche Summe für die mit Sicherheit negative Geschäftserwartung während der nächsten Jahre, minus den 500 Millionen von der Republik) noch zusätzlich die beträchtlichen Kosten eines Allianz-Wechsels der AUA einkalkulieren. Überdies mache die AUA einen guten Teil ihres Geschäftes auf den kartellartig mit der Lufthansa geteilten Flügen nach Deutschland – das würde bei einem im Konflikt drohenden Konkurrenzkampf massiv geschmälert. Auch hat die Lufthansa der AUA eine Aufnahme in ihre Ticket-Partnerschaften mit großen Konzernen zugesagt. Was der AUA ebenso Passagiere bringen würde wie der weltweite Verkauf der Langstrecke über den Verkaufsapparat der Deutschen. Ferner verspreche die Lufthansa (aber eben immer ohne Garantie), die Marke fortzuführen, ein dezentrales Management (also von Wien aus) zu erlauben, Schwechat als Drehkreuz weiter zu nutzen und den Ost- und Nahost-Schwerpunkt der AUA fortzusetzen. Freilich, so wissen Skeptiker, ist Osteuropa auch für die Lufthansa selber ganz wichtig. So prophezeite etwa der Chef des kanadischen Reisebüroverbandes, dass Mittelosteuropa bald nur noch über München erreichbar sein werde und dass die AUA längerfristig komplett verschwinden werde. München – der zweite Hub der Lufthansa neben Frankfurt – ist überdies ein Flughafen, der seit langem auf Kunden aus Westösterreich bis hin in den Linzer Raum setzt. Diese Offensive wird nun sicher nicht enden. Dennoch gibt es keine Chance mehr für einen österreichischen Alleingang, auch wenn es für den hiesigen Tourismus und die Konferenzveranstalter wie auch den Handel schön wäre: Eine dauerhafte Subventionierung durch den Steuerzahler ist (der EU sei Dank) rechtlich unzulässig. Und die Luftlinie weiter trudeln zu lassen, würde den Vorstand vor den Strafrichter bringen. Der emotional stärkste Aspekt der Entwicklung freilich wird nur selten angesprochen: Die wirtschaftlichen Zwänge rollen derzeit Schritt für Schritt einen guten Teil dessen auf, was seit 1918 und 1955 als Anschlussverbot das Zentrum der österreichischen Existenz und Identität gebildet hat. Diese Frage wird in kommenden Jahrzehnten freilich nur noch Völkerrechtler und Historiker beschäftigen. Alle Beiträge dieser Rubrik unter: /analyse analyse@wienerzeitung.at Printausgabe vom Dienstag, 02. Dezember 2008 |
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