Lärm:
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nach "leiseren" Flugrouten
VON
GERHARD BITZAN (Die Presse) 17.10.2006
Fluglärm
über Wien. Neue Bürgerinitiativen, neue Klagen. Wie und
warum die Betroffenen jetzt mobil machen und eine dritte
Flughafenpiste doch noch verhindern wollen.
Wer
in einer Flughafen-Einflugschneise lebt, hat es nicht immer ruhig. |
(c) AP
Wien.
Auch die Flughafen-Meteorologen können sich verschätzen.
"Im Oktober gibt es sonst kaum Südostwind. Aber jetzt weht
der schon seit vielen Tagen", sagt Brigitta Pongratz, Sprecherin
des Flughafens Wien-Schwechat. Das Problem dabei: Durch die
ungewöhnlichen Windverhältnisse konnten
Pisten-Wartungsarbeiten nicht wie geplant durchgeführt werden
und so wurde das Nachtflugverbot über Wien (21 Uhr bis 7 Uhr)
durchbrochen.
Der
Flughafen entschuldigte sich zwar und es wurde nach einer neuen
Lösung für die Wartung gesucht, der Schaden war aber schon
da: Bei Bürgerinitiativen und politischen Parteien liefen die
Telefone heiß, viele Wiener - vor allem im Westen der Stadt -
klagten über die nächtliche Lärmstörung. Das
Ärgernis kommt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo sich die
Fluglärm-Gegner wieder stärker formieren. Denn noch vor
Jahresende, so kündigte Verkehr-Staatssekretär Helmut
Kukacka erst vor kurzem an, werde der Wiener Flughafen die
Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für die dritte
Piste einleiten (Detailpläne des Flughafens siehe Artikel
unten). Durch diese Piste wird sich dann der Flugverkehr am Flughafen
erhöhen: Laut Technischer Universität könnte sich
mittelfristig die jährliche Zahl der Flugbewegungen von rund
240.000 verdoppeln.
Genau
da wollen die Kritiker ansetzen. Bei der UVP hat nämlich
erstmals jeder Einzelne, der von Fluglärm, von
Gesundheitsbelastungen sowie von Entwertung seiner Grundstücke
betroffen sein könnte, Parteienstellung und Einspruchsrecht.
Johanna Aschenbrenner-Faltl, von der Vereinigung der
Fluglärm-Betroffenen (AFLG): "Das ist unsere große
Chance."
Der
Anwalt der Vereinigung, Emmerich Fritz, der bereits eine
entsprechende Bevollmächtigung von 250 Bürgern hat, erklärt
der "Presse": "Ich kann und will den Flugverkehr nicht
verhindern, aber ich will die brutale Belastung durch Fluglärm
und die drastische Entwertung von privatem Eigentum reduzieren."
Und er will auf jeden Fall schonendere Flugrouten erreichen.
Eine
Musterklage gegen die Austro Control, die von Fluglärm-Betroffenen
vor Monaten eingereicht worden ist, ist allerdings vom Wiener
Landesgericht für Zivilsachen zurückgewiesen worden. Auch
die Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) hat nichts gebracht: Die
Austro Control sei nicht der richtige Ansprechpartner für die
Klage.
Rechtsanwalt
Fritz sieht darin aber kein Problem. "In der 19 Seiten langen
Begründung des OLG wird detailgenau erklärt, wie zu fliegen
ist. Nämlich schonend. Das dient mir künftig als
Richtschnur bei weiteren Argumentationen." Auch für Heinz
Thume, AUA-Pilot in Pension, ein gewichtiges Argument: "Es muss
doch möglich sein, einige Routen anders zu legen, um so dicht
besiedeltes Gebiet zu meiden." Das Argument, dass dies für
die Airlines Umwege und damit Mehrkosten bedeutet, lässt er
nicht gelten. "Wenn man nur will, geht das schon. Die
zusätzlichen Kosten, die zwei Minuten Mehrflug der AUA bringen,
kann man aus einem Umweltfonds finanzieren."
Viele
Fluglärm-Proteste gibt es auch in Liesing, Hietzing und Penzing.
Bei Wind aus Osten und Süden können Flugzeuge aus dieser
Richtung nicht landen und müssen über West-Wien eine
Schleife ziehen und dann über Steinhof Richtung Schwechat
fliegen. Hier wird der Lärm besonders stark wahrgenommen, weil
die Flieger über "ruhige" Villengegenden brausen und
weil im Westen viele Wohngebiete höher liegen. Vorwürfe,
die Piloten würden auch viel zu tief fliegen, werden von
Flughafensprecherin Pongratz dezidiert zurückgewiesen. "Das
stimmt ganz sicher nicht. Das ist schon aus Sicherheitsgründen
völlig unmöglich. "
Mittlerweile
regt sich Unmut auch in bisher weniger Fluglärm-aktiven
Bezirken. In Favoriten, konkret am Laaerberg, ist eine
Bürgerinitiative im Entstehen, kommenden Montag findet die
offizielle Gründung statt.
Originallink:
http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=c&ressort=w&id=592848