AUA im Zickzackkurs: Dicke Luft im Cockpit
HEDI SCHNEID (Die Presse)
Die Austrian Airlines fürchten eine feindliche Übernahme. Nun droht auch noch Gefahr von innen.
Diesen August haben sich AUA-Chef Alfred Ötsch und ÖIAG-Vorstand Peter Michaelis wohl anders vorgestellt. Erstmals seit Langem schaffte die Fluglinie wenigstens im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres schwarze Zahlen. Der harte Sanierungskurs trägt Früchte, was sich auch mit deutlich reduzierten Verlusten im Halbjahresergebnis niederschlug. Also ein bisschen ausspannen, abschalten, Urlaub machen für den AUA-Boss und seinen Präsidenten?
Weit gefehlt. Denn in der Führungsetage von Österreichs nationaler Fluglinie wird derzeit das große Abschießen geprobt – und es geht nicht um die Abwehr feindlicher Angreifer. Die AUA ist nämlich nicht ins Visier von Lufthansa & Co. geraten, die sich den unliebsamen Konkurrenten aus Österreich einverleiben möchten. Die Gefahr kommt vielmehr von innen. Jetzt geht es um die Unternehmensführung, in der – gelinde gesagt – die Chemie nicht mehr wirklich stimmt.
Mit dem vorzeitigen, nicht ganz freiwilligen Ausscheiden von Vertriebschef Josef Burger sind die Differenzen im AUA-Führungstrio derart eskaliert, dass sie nicht mehr vor der Öffentlichkeit zu verbergen sind. Was vor einem Jahr, als Ötsch die AUA-Führung übernahm, mit Argwohn zwischen dem Neuen und den beiden alten Managern Josef Burger und Thomas Kleibl begann, hat sich zu einem veritablen Führungsproblem ausgewachsen.
Die Folgen kann man sich ausmalen. Etwa so: Im Cockpit fliegen die Fetzen, weil sich die Piloten nicht einig sind, wohin sie den Jet steuern sollen. Das bremst bekanntlich nicht nur den Steigflug, sondern führt meist zum Crash.
Dabei sollte die AUA-Führung andere Sorgen haben. Denn so rot wie die Farben am Leitwerk sind auch die Zahlen. In den vergangenen beiden Jahren schrieb die AUA jeweils 130 Millionen Euro Verlust. Täglich sind das rund 350.000 Euro. Heuer soll der Abgang zwar geringer ausfallen, verspricht Ötsch. Aber es wird wieder Verluste geben. Erst für 2009 stellt der AUA-Chef einen dividendenfähigen Gewinn in Aussicht. Bis dahin ist es noch ein harter Weg. Zumal der AUA die Größe fehlt, um „exogene“ Katastrophen wie einen extrem hohen Ölpreis oder Terror zu bewältigen.
Ötsch hat im Vorjahr ein beinhartes Sparprogramm eingeleitet, das vorerst wegen der hohen Abfertigungen viel kostet, im kommenden Jahr aber voll greifen dürfte. Langstrecken wurden gestrichen, ein weiterer Schnitt könnte wohl nur mehr das Stutzen der AUA zu einer Regionallinie bedeuten. Aber das würden Politiker aller Couleurs wohl mit Nationalstolz-geschwellter Brust zu verhindern wissen.
Es stehen auch andere wichtige Entscheidungen an. Etwa jene, mit welchen Flugzeugen die AUA künftig unterwegs sein wird. Das Marketing-Argument, eine junge Flotte zu haben, zieht nicht mehr lange, zumal die neuen Airbusse verkauft wurden. Neue Jets kauft man aber nicht wie Wurstsemmeln. Wer jetzt bestellt, bekommt 2015 geliefert. Dann haben die Boeings der AUA gut 20 Jahre auf dem Buckel.

Eine schlagkräftige Führung ist absolut notwendig – ob das ein komplett neues Management oder nur einen Vorstandswechsel bedeutet, sei dahingestellt. Gefragt ist daher AUA-Präsident Michaelis, der als Chef der Staatsholding ÖIAG auch die Interessen des Hauptaktionärs der AUA vertritt. Aber Michaelis gilt nicht gerade als konfrontationsfreudig. Abwarten, Tee trinken und auf Befehle von oben warten – diese von Michaelis in Krisen gerne geübte Haltung wäre jetzt fatal.
Zumal der „Befehl von oben“ etwas anders lauten könnte als erwünscht. Die AUA-Betriebsräte wollen nämlich die Gunst der Stunde nutzen und Bundeskanzler Alfred Gusenbauer einschalten. Betriebsräte sind zwar oft stur, aber nicht dumm. Sie werden ihre Finger bewusst auf eine wunde Stelle der SPÖ legen: AUA- und ÖIAG-Führung werden der rechten Reichshälfte zugerechnet.
Mit der Intervention beim Kanzler, gleich den gesamten Vorstand auszutauschen, zementieren die Betriebsräte die AUA-Führung paradoxerweise ein. Kommt Gusenbauer der Aufforderung nämlich nach, kann er die Fluglinie gleich den Beschäftigten schenken. Bei börsenotierten Gesellschaften ist es nämlich in einigermaßen zivilisierten Ländern immer noch üblich, dass der Aufsichtsrat die Führung von Unternehmen bestimmt. Und weder der gerade amtierende Bundeskanzler noch die Betriebsräte. Zumal Politik hierzulande bei der Besetzung von Top-Positionen bekanntlich schon lange keine Rolle mehr spielen soll, nicht wahr?
AUA-Boss Ötsch unter Druck Seite 17

hedwig.schneid@diepresse.com
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2007)