derStandard.at: Lärm stört. Kann er auch die Gesundheit gefährden?
Babisch: Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass Lärm stört und belästigt. Das erleben alle, die an stark befahrenen Straßen oder in Flughafennähe wohnen. Tatsache ist, dass Lärm nicht nur das Wohlbefinden beeinträchtigt, sondern gesundheitliche Schäden hervorrufen kann.
derStandard.at: Welche Schädigungen sind bekannt?
Babisch: Bisher wurde das im Labor untersucht. Personen waren eine gewisse Zeit bestimmten Schallbelastungen ausgesetzt. Danach hat man Veränderungen im Organismus festgestellt, wie zum Beispiel der Anstieg des Blutdruckes oder Veränderungen der Herzfrequenz und der Bluttfette. Auch Stresshormone wurden vermehrt ausgeschieden. Diese Effekte beschreiben einen normalen Stressmechanismus.
derStandard.at: Wenn das schon bekannt war, was wollte man herausfinden?
Babisch: Man hat sich die Frage gestellt: Was passiert mit Menschen, die dauerhaft über viele Jahre hinweg solchen Lärmbelastungen ausgesetzt sind. Passt sich der Körper an, indem die Kurzzeiteffekte nachlassen oder kann man sie dauerhaft beobachten?
Deshalb wurde diese epidemiologische Untersuchung durchgeführt, um vor Ort zu untersuchen ob Menschen, die in einem lärmbelasteten Umfeld leben auffälliger oder kränker sind als Menschen die leise wohnen.
derStandard.at: Es gab zwei Gruppen, die beobachtet wurden. Eine mit einer geringeren Lärmbelastung und eine mit einer größeren. Wie waren die Ergebnisse?
Babisch: Das Risiko für Bluthochdruck steigt an je lauter es wird. Es gab schon viele Untersuchungen in dieser Größenordnung aber neu dabei ist, dass die Untersuchung der Europäischen Kommission multikulturell durchgeführt wurde.
derStandard.at: Das heißt es gibt auch länderspezifische Unterschiede?
Babisch: Die länderspezifischen Parameter wurden noch nicht ausgearbeitet. Aber es gab die Vermutung, dass die Belastung in den südlichen Ländern stärker sein könnte, da vergleichsweise in Schweden aufgrund der klimatischen Situation die Fenster häufiger geschlossen sind und die Innenraumbelastung gemildert wird. Aber dazu liegen noch keine Ergebnisse vor.
derStandard.at: Es wurde nicht nur die Gesamtbelastung untersucht, sondern die Lärmbelastung wurde am Tag und in der Nacht beobachtet. Gibt es da relevante Unterschiede?
Babisch: Hier konnte festgestellt werden, dass die Zusammenhänge mit dem Nachtlärm etwas stärker waren. Das deutet darauf hin, dass besonders Schlafstörungen bei der Entwicklung des lärmbedingten Bluthochdrucks eine Rolle spielen.
derStandard.at: Konnte man innerhalb des Beobachtungszeitraumes von einem Jahr veränderte Blutdruckwerte feststellen?
Babisch: Nein, das kann man mit diesem Studiendesign nicht. Die Arbeitshypothese war folgende: Um nachhaltig Krankheiten wie Bluthochdruck zu entwickeln, bedarf es langer Einwirkzeiten über viele Jahre hinweg. Hier wurde der Effekt der zurückliegenden mehrjährigen Lärmbelastung gemessen.
derStandard.at: Die Probanden mussten bereits fünf Jahre lang in einer lärmbelasteten Umgebung leben.
Babisch: Ja, der Dauerstress muss über viele Jahre hinweg einwirken. In den Straßenverkehrslärm-Untersuchungen, die ich durchgeführt habe, hat sich gezeigt, dass das Herzinfarktrisiko bei Personen, die über zehn Jahre der Belastung ausgesetzt waren, wesentlich größer war als bei Probanden, die erst ein bis zwei Jahre an einer belebten Straße wohnten.
derStandard.at: Lässt sich das auch in Zahlen ausdrücken?
Babisch: Wir haben herausgefunden, dass das Bluthochdruck- Risiko in den lautesten Wohnungen um 30 bis 40 Prozent höher ist. Bei Übergewicht steigt das Risiko vergleichsweise auf 80 Prozent und für Fettleibigkeit sind es sogar 200 bis 300 Prozent.
derStandard.at: Wird die Belastung durch Lärm in der Medizin ernst genommen?
Babisch: Das hängt davon ab von wem. In der Umweltmedizin schon, weil da die Sensibilität, dass Umweltfaktoren unsere Gesundheit beeinflussen können schon sehr groß ist. Da muss man sich nur die heftige Feinstaubdiskussion ansehen.
derStandard.at: Und wenn ich mit Bluthochdruck beim Allgemeinmediziner sitze?
Babisch: Der niedergelassene Arzt, der Patienten vor sich hat wird zunächst einmal auf größere Risikofaktoren achten. Wäre der Lärm so ein großer Risikofaktor, müssten wir alle umkippen. Die Umweltfaktoren leisten einen kleinen zusätzlichen Beitrag, zu den größeren Risiken denen wir im Alltag ausgesetzt sind.
derStandard.at: Ist die Lärmbelastung also doch vernachlässigbar?
Babisch: Für den Einzelnen mag das Zusatzrisiko relativ klein sein, aber weil so viele Personen lärmbelastet sind, ist es im statistischen Sinne eben doch ein Faktor, um den sich die Gesundheits- und Umweltpolitik kümmern muss.
derStandard.at: Glaubt man den Prognosen, wird das Flugaufkommen weiter steigen. Ist das eine beängstigende Zukunft?
Babisch: Die Technik wird aber auch Lärmminderungsmaßnahmen vornehmen. Was dann überwiegen wird, kann man heute nicht sagen.
derStandard.at: Wie können sich dauerhaft lärmbelastete Menschen schützen, die nicht den Wohnort wechseln können?
Babisch: Die Antwort darauf ist immer etwas unbefriedigend, da man die Lärmbekämpfung an der Quelle anstreben müsste, wie weniger Verkehrsaufkommen, leisere Fahrbahnoberflächen und Ähnliches.
Da bleiben dann nur Schallschutzfenster oder Ohrenstöpsel. Diese bieten eine erhebliche Linderung und ermöglichen das Durchschlafen. Auch wenn Menschen sagen, dass sie im Ohr stören: Durchhalten, man kann sich daran gewöhnen. Aber in der Nähe von Flughäfen muss sogar der Flughafenbetreiber Schallschutz gewähren. Das ist gesetzlich geregelt. (nia)
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